Episode 1.: Wie alles begann
Eigentlich habe ich in meiner Facebook-Kolumne vom 29. September diesen Jahres schon beschrieben, wie alles anfing, zumindest wie ich auf Camil und Codin aufmerksam geworden bin und deswegen hier zum „Grundverständnis“ nochmal die Kolumne:
„Mein schönstes Geburtstagsgeschenk“ (29.09.2019)
In der zurückliegenden Woche habe ich meinen 57. Geburtstag feiern dürfen. Ein Alter, in dem sich im Leben meiner Eltern einiges verändert hat und das nicht gerade auf gute Art und Weise. Meine Mutter hatte mit 57 zum ersten Mal mit einer Krebserkrankung zu kämpfen, mein Vater ging in diesem Alter in den vorgezogenen Ruhestand, weil er einfach keine Lust mehr hatte auf die Arbeit und die damals neu installierten Computer. Später hat er den frühen Ausstieg mehrfach bereut und sich ein bisschen „verloren“ gefühlt. Jetzt bin ich in diesem Alter, bin gesund -von den üblichen Wehwehchen mal abgesehen- und arbeite immer noch leidenschaftlich gerne als Psychologin, empfinde diesen Beruf mehr als Berufung als alles andere und denke überhaupt nicht ans Aufhören. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Weil mich aber im Vorfeld dieses „Ehrentages“ doch ein mulmiges Gefühl umgetrieben hatte, habe ich alle nur erdenklichen präventiven Routineuntersuchungen machen lassen, u.a. auch erstmals eine Magenspieglung.
Als ich aus der kleinen „Michael-Jackson-Propofol-Narkose“ wieder aufgewacht bin, hatte ich einen unfassbar realen Traum. Drei Hunde spielten am Strand, unsere beiden und eine riesige graue Hündin. Ich habe diese Szene ganz klar, ganz real erlebt. Ich glaube, niemand träumt nach so einer Aktion, der Tonfall der netten Krankenschwester, die uns alle bis zur tatsächlichen Landung in der Realität betreut hat und der ich meinen Traum erzählte, klang jedenfalls so. Man kann „JAJA“ sagen oder eben auch „Jaaaaaaa Jaaaa“, Untertitel, auweiha, die halluziniert vollkommen, braucht noch `ne Weile, bis sie wieder richtig hier ist. Ich habe den Traum nicht vergessen können.
Zwei Tage nach der Untersuchung (Ergebnisse alle gut, puh) habe ich dann bei Facebook GENAU diese Hündin gesehen. Mich hat fast der Schlag getroffen. Gut, dass ich gesessen habe!!!!! Als wäre das nicht schon genug gewesen, wurde sie auch noch von jenen wunderbaren Engelfrauen des Tierschutzes gepostet, von denen wir unsere Flika bekommen haben (auch genannt das rumänische Kuschelkissen, weil sie sie lieb ist und ihr Fellchen so weich). Ganz klar –sofortige Kontaktaufnahme.
Das Tier war noch in Rumänien, tatsächlich eine Hündin, eine Seele von Wesen, ehemaliger Kettenhund, mehrfach Welpen bekommen, kein guter Zustand, aber lieb zu allen Tieren und Menschen und ein richtig großer Hund. Umpf … mein Mann und ich wollten eigentlich keinen großen Hund, zwei kleine sind im Alltag besser zu handeln. Und zwei sind eigentlich sowieso genug …
Zufällig fiel in diesem Telefonat ein Satz, der mich derart wuchtig direkt ins Mark getroffen hat wie kaum ein Satz jemals zuvor: „Ach übrigens, die beiden Welpen, mit denen Flika im Winter 2016 aufgegriffen wurden, sitzen noch immer in jenem Shelter, aus dem heraus sie nach Deutschland vermittelt wurde. Sie sind totale Angsthunde geworden …“.
Schlag in die Magengrube. Fassungslose Leere im Hirn. Herzrasen. Schnappatmung.
Wie bitte? Unsere Flika ist ein Engel, die beiden haben doch sicher Potential.
Fotos bitte. Zwei Rüden, panisch-ängstliche Augen. Einer sieht genauso aus wie seine Mutter, der andere schwarz, ist noch ängstlicher. Beide grundverträglich mit allen Artgenossen.
Nachdem mein Gehirn eine lange Weile einem leeren Bildschirm glich, der restliche Körper aber mit einem Pulsschlag kurz vor dem Explodieren wummerte, habe ich mehrfach tief atmen müssen um mich wieder zu fassen. Dann kam die Wende. Mein Körper beruhigte sich und mein Gehirn begann langsam aber unaufhörlich Lösungsideen zu produzieren.
Man sagt ja immer, Tiere finden ihre Menschen, nicht umgekehrt. Dann haben die zwei mich eindeutig gefunden und an Zufälle habe ich noch nie geglaubt. In den darauf folgenden Tagen habe ich stundenlang im Internet recherchiert, Anfragen gestellt und Absagen kassiert. Angsthunde aus dem Tierschutz sind ein großes Thema, kein Wunder, bei den Zuständen, unter denen die leben mussten, wie sie behandelt wurden – und ihre fachgerechte Behandlung alles andere als einfach. Sicher tut man manchen wirklich keinen Gefallen, sie überhaupt resozialisieren zu wollen aber in diesem Fall wollte ich nicht aufgeben, es sind junge Hunde und sie sind nicht aggressiv. Es ist ja schrecklicherweise keine Seltenheit in rumänischen Tierheimen, eigentlich überall auf der Welt, dass dort Welpen hängen bleiben, die nicht vermittelt werden. Oft kommen diese Hunde, die niemand will, in die Tötungen. Ein Alptraum an Vorstellung.
Ich wünsche mir so sehr eine Welt ohne Tierleid, aber naja, das ist wohl ein bisschen zu idealistisch … Trotzdem war meine Mission ganz klar: Flikas Söhne retten. Aufgeben war irgendwie keine Option, aber mit jeder Absage wackelte meine Hoffnung ein bisschen mehr. Irgendwie wurde es immer aussichtsloser und ich immer deprimierter. Zwischendurch erfuhr ich, dass die wunderbare große Hündin schon auf einer Pflegestelle in Deutschland gelandet war … wie mich das freut und berührt, sie hat sicher das Glück, bald vermittelt zu werden und ihre Menschen zu finden. Wie schön für sie, wie wunderschön!!
Unter all den Kontakten, die ich für „meine Beiden“ angeschrieben hatte, war auch eine Frau, die sich auf die Resozialisierung von Angsthunden im Tierschutz spezialisiert hat und immer einige von ihnen bei sich aufnimmt. Klar, dass diese Plätze ständig ausgebucht sind. Die Filme, die sie über die Entwicklung ihrer Schützlinge ins Netz stellt, sind unfassbar anrührend, sie schafft was niemand sonst schafft. Sie ist eine Hundeflüsterin, gar keine Frage.
Und sie war von Anfang an meine Favoritin.
Als ich mit meinem Mann spät abends vom Geburtstagsessen zurückgekommen bin, hat der gute Rotwein mir noch mal einen Schubs Mut gegeben und ich habe ihr wieder geschrieben.
Resultat: Ihre wunderbare Oma hat am gleichen Tag Geburtstag wie ich und gerade ist ein bisschen Platz im Haus. Sie nimmt sie . die Zwei bekommen eine Chance!
Meine Tränen liefen in Sturzbächen, vor lauter unfassbarer Freude, pures Glück, da öffnet sich das Herzchen ganz, ganz weit. Mein aller-aller schönstes Geburtstagsgeschenk!!!!
DAS ist die Chance, auf die ich so sehr gehofft hatte. Wenn alles geklärt ist, können sie in ein paar Wochen ausreisen und bei ihr einziehen.
Und wieder gibt es keine Zufälle, denn klar – so eine intensive, liebevolle Betreuung kostet Geld. Bei zwei Hunden nicht wenig und ich rechne eher in vielen Monaten als in Wochen, aber diese Hundeflüsterin verdient jeden einzelnen Euro, ohne Wenn und Aber!
Gerade jetzt wird „zufällig“ eine kleine Lebensversicherung fällig, die ich in jungen Jahren auf Anraten eines Freundes abgeschlossen habe. Herrlich! Ich glaube, ich habe noch niemals mit größerer Freude Geld ausgegeben als in diesem Fall. Andere würden vielleicht sagen, du spinnst. Kauf dir doch was Schönes von dem Geld.
Ich hab aber schon was Schönes. Ein Leben in Sicherheit, mit Freude, Ruhe und genug zu Essen. Und das wünsche ich mir für jeden Menschen und auch für jedes Tier. Deswegen kaufe ich den beiden jungen Rüden jetzt eine einmalige Chance. Da bekommt das Wort Lebens-Versicherung doch mal eine ganz neue Bedeutung.
Fazit: Hör nicht auf, an das Unmögliche zu glauben! Manchmal gibt dir das Leben eine Chance, mit der du schon gar nicht mehr gerechnet hast. Dann greif zu und nutze sie.
Eine schöne „unmögliche“ Woche noch!
Tja, so war das. Man könnte auch sagen „Es war einmal“. So beginnen üblicherweise Märchen. Bei dieser Geschichte, der Geschichte von Camil und Codin weiß ich nicht, ob wir eines erleben werden, so sehr ich es mir auch wünsche. Es ist eine Reise, bei der wohl buchstäblich der vielzitierte Satz gilt „der Weg ist das Ziel“.
Dieser Weg, ihre Reise, wird die zwei nächste Woche von Botosani nach Deutschland führen. An einem Treffpunkt werde ich sie umladen und an ihren Bestimmungsort bringen, wo sie Zeit haben werden, anzukommen. Anzukommen in einem komplett neuen Leben.
Niemand von all den liebevollen Menschen, die die Zwei begleitet haben und noch begleiten werden (und auf die ich noch im Einzelnen in den kommenden Episoden eingehen werde), weiß wohin die Reise führen wird, ich selbstverständlich auch nicht.
Ich weiß zu diesem Zeitpunkt nur, dass ich zum ersten Mal die Beschreibung verstehe, die ich hin und wieder in amerikanischen Filmen gehört habe „Something bigger than me“.
Genauso habe ich es empfunden, als ich zum ersten Mal gehört habe, dass die beiden jungen Mischlingshunde noch immer in jenem Tierheim in Rumänien sitzen, in das sie im Spätherbst 2016 zusammen mit ihrer Mutter gebracht wurden.
Diese Mutter, eine ca. 8 jährige Mischlingshündin mit dem Namen Flika hatte Glück, kam schon 2017 auf eine Pflegestelle und konnte vermittelt werden.
In jenem Sommer 2017 starb meine Seelenhündin Diva, ein Alptraum, nicht nur für mich, auch für meinen Mann und auch für ihren Freund Nicki, unseren Cairnterrierrüden. Diva hat uns mit Hilfe unserer wunderbaren Tierkommunikatorin und Freundin Christiane ein sehr klares Bild gegeben, wie sie gehalten werden wollte zum Zeitpunkt ihres Fortgangs über die Regenbogenbrücke:
„Nimm meine Pfote in deine Hand, Helmut soll mein Hinterbeinchen halten,“ war die Ansage, die mich noch heute zu Tränen rührt. Damals habe ich das nicht verstanden, aber natürlich haben wir es genauso gemacht, wie sie es sich gewünscht hat.
Unser kleiner Nicki hatte uns in den folgenden Wochen als „Einzelhund“ sehr klar gemacht, dass er keineswegs gewillt war, alleine bleiben und animierte jede mittelgroße Hündin zum Spielen, die er getroffen hat. Verstanden!
Also habe ich gesucht und bin im Tierschutz in Euskirchen fündig geworden. Es war die Pfote, jene kleine, leicht gebogene weiße Pfote von Flika, die auf dem Foto über dem Arm der netten Frau hing, die sie hielt, die mich sofort an meine Diva erinnert hat. Hier die damalige Anzeige des Tierschutzvereins Euskirchen:
Und nachdem wir sie besucht haben, Nicki sie klasse fand und alles geregelt werden konnte, zog sie im September 2017 ein. Sie hat die Plätze von Diva belegt als habe diese mit ihr besprochen wie das so läuft im Hause Reitz, wo man liegt, in wessen Arm man sich wann kuschelt und auch noch auf welcher Seite man am besten liegt, genau wie Diva…. Unfassbar. Sie war von Beginn an ein Seelchen, das es uns sehr, sehr einfach gemacht, sie direkt ins Herz zu schließen und Nicki war mehr als glücklich, dass sie unser aller Leben nun teilte.
Ich hatte erfahren, dass sie mit ca 10 Wochen alten Welpen gefunden worden war, habe aber nicht nachgefragt, denn ich bin einfach davon ausgegangen, dass diese kleine Wesen längst vermittelt worden waren. Was für ein Fehler!!!
Denn das waren sie nicht. Im Gegenteil. Ohne die Mutter sind sie zu Angsthunden geworden, verträglich mit Artgenossen, aber panisch vor allem und jedem. Selbst die liebevollen Mitarbeiter konnten keine Beziehung zu ihnen aufbauen, dazu fehlt in der Füller der zu bewältigenden Not die Zeit, sicher nicht die Liebe zu den Tieren.
Ich habe die Geschichte der drei auf der Website des Shelters gelesen, von Flika, Camil und Codin, die Fotos gesehen und war fassungslos. Allerdings nicht lange, das stehe ja oben schon beschrieben. Und es lief bisher wie am Schnürchen. Adoptionsvertrag, Tasso, Steueranmeldung, Hundehaftpflichtversicherung, alles hat geklappt.
Was erstaunlicherweise auch klappt, ist eine Art vorsichtiger Tierkommunikation mit ihnen beiden. Ich traue mir diese Art der „mentalen Unterhaltung“ mit den Tieren nicht wirklich zu, aber ich habe den Eindruck, dass meine Fähigkeiten mit ihnen zusammen wachsen. Vielleicht ist das der tiefere Sinn hinter unserer Begegnung, vielleicht gibt es noch einen ganz anderen, ich weiß es nicht.
Ich weiß nur, dass ich „wie getrieben“ dafür sorgen musste, dass sie diese Chance bekommen. Ob sie anschließend zu uns ziehen, weiß ich auch noch nicht, denn vier Hunde sind schon eine ganz schöne Aufgabe und sowohl mein Mann als auch ich sind beide noch voll berufstätig, aber ich vertraue dem Schicksal. Es kommt wie es soll – erst einmal müssen die zwei aber ankommen und lernen, dass man Menschen überhaupt vertrauen kann.
Ich habe mir überlegt, ihre Geschichte aufzuschreiben für alle die, die mitlesen möchten, die mit dabei sein wollen. Das wird kein „ordentliches“ Buchformat, mehrfach korrigiert oder gar redigiert, das hier wird einfach eine wahre Hunde-Geschichte; die Geschichte von Camil und Codin, denen mein Herz schon jetzt gehört und für die ich mir mehr als alles andere ein Märchen wünsche, eines mit einem traumhaften Happy End, bei dem es Konfetti regnet.
Was ich dazu beitragen kann, das mache ich … gerne.
Ausblick: Was nun kommt? Am 9. November 2019 kommt ihr Transport in Deutschland an. Den Treffpunkt und den Zeitpunkt werde ich noch genannt bekommen, wenn klar ist, wo die anderen Glückshundekinder aussteigen dürfen, die „ihre“ Familie gefunden haben.
Ich freue mich darauf, Camil und Codin ab zu holen und kennen lernen zu dürfen, auch wenn der Transport an sich noch einmal eine große Strapaze sein dürfte. Er ist das Nadelöhr dieser Reise, durch das sie müssen, um ihr neues Lebenskapitel überhaupt aufschlagen zu können.
Ich versuche ihnen aber schon jetzt immer wieder zu vermitteln: ihr seid Willkommen! Wir freuen uns auf Euch.
Bis bald.